Sachbuch

Promedia 2015

 

Verlagstext:

Mit Bevor die Völker wussten, dass sie welche sind legt der Romancier, Essayist und Satiriker Richard Schuberth ein brisantes wissenschaftliches Werk vor, das in seinen Grundzügen bereits vor 20 Jahren entstanden ist. Der Autor erörtert Konzepte von Nation, Volk und Ethnizität, ihre begriffsgeschichtlichen Genesen und Metamorphosen ebenso wie ihre praktischen Folgen – und gewährt subtile Einblicke in die Ideologie des Kulturalismus, also der Reduktion von Menschen und ihrem Verhalten auf eine zugeschriebene kollektive Kultur. Dieser prägt nach wie vor Alltagsbewusstsein und politische Diskurse.

Schuberths Text setzt sich mit Positionen auseinander, die sich nach Jahren erbitterter Kontroversen festigten und die Basis für einen antiessenzialistischen, diskurskritischen Zugang legten.

In einem ersten Teil beleuchtet der Autor die Konzepte Stamm, Volk, Nation im Widerstreit von Aufklärung und Romantik; der zweite Teil rekonstruiert die Entwicklung ethnologischer und soziologischer Ethnizitätskonzepte von geschlossenen Stämmen hin zum Konstruktionscharakter von Ethnizität und der Wandelbarkeit ethnischer Identitäten; und in einem dritten Teil holt Schuberth zu einem witzig geschriebenen und polemischen Rundumschlag auf kulturalistisches Denken aus – das auch und vor allem in den sich selbst als fortschrittlich gebenden Kreisen vorherrscht. Auch das Konzept der persönlichen wie der kollektiven Identität kommt nicht ungeschoren davon.

Ein teils wissenschaftlich, teils literarisch geschriebenes Werk, das unsere Vorstellungen von Völkern, Ethnien und ethnischer Kultur gehörig ins Wanken bringen mag und zudem ein beherztes Pamphlet gegen kulturellen Essenzialismus darstellt.

Link zum Promedia Verlag

 

Reaktionen & Rezensionen

 

Schuberth merkt die von vielen Kollegen immer wieder (erstaunt) artikulierte Tatsache der Vorherrschaft der kapitalistischen Märkte an, die mit einer konfessionellen Vergesellschaftung einhergeht. Was jedoch Journalisten und Politiker heute erstaunt zur Kenntnis nehmen, kann schon bei Karl Marx und Friedrich Engels (Das Kapital) nachgelesen werden.
Schuberths Diskurs über Ethnizität, Volk und Nation ist zwar eine wissenschaftliche Arbeit, gespickt mit einer Vielzahl von Fachbegriffen. Aber der Text ist eben von Schuberth, der in der Lage ist, einen Text so zu schreiben, dass sich selbst ein so »trockenes« theoretisches Thema wie ein Roman lesen lässt. Deshalb kann man dieses Buch auch jedem Interessenten empfehlen, der nicht studiert hat.

Mario Koch, Amerindian Research

 

Wer mehr über die Konstruktion von Völkern, Nationen und Ethnizitäten wissen will, erfährt es in Richard Schuberths Buch mit dem ironischen Titel Bevor die Völker wussten, dass sie welche sind. Trotz des wissenschaftlichen Charakters macht der mitunter witzige Stil des Schriftstellers und Ethnologen das Buch zu einem außergewöhnlichen Lesevergnügen. Und en passant wird eine wortgewaltige Polemik gegen eingebildete Identitätsverortungen und die Reduktion von Menschen auf ihre angeblichen Kulturen mitgeliefert.

ORF online

 

Dass die Instrumentalisierung kultureller Differenz nicht nur den alten Rassismus prägte, sondern auch die Ambiguität der modernen multikulturellen Bewegungen, ist Schuberths beunruhigendste These. Eine solche Instrumentalisierung erfolge nicht nur durch harmlose Selbstzuschreibungen von Individuen und Gruppen, sondern würde durch Bevorzugungen und Benachteiligungen von den jeweiligen politischen Hegemonialkräften nach wie vor benutzt, um soziale Defizite zu verdecken und Konflikte in ethnische Konflikte umzuwandeln. Erbärmliche Zweige der Sozialwissenschaften seien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dabei behilflich gewesen, die Reethnisierung den Reethnisierten schmackhaft zu machen.

Sabine Kebir, Der Freitag

 

Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um die vor zwanzig Jahren geschriebene Diplomarbeit des Autors im Fach Ethnologie. Der von ihm vertretene programmatische Antiessenzialismus war zu der Zeit in den Sozialwissenschaften noch alles andere als populär. Insofern ist die Arbeit ihrer Entstehungszeit weit voraus. (…)

Im abschließenden dritten Teil »Das Designing von Ethnizität und Kultur« kann der Autor seiner Sprachgewalt endlich freien Lauf lassen. Wegen seines aphoristischen und essayistischen Charakters ist es schwierig, dieses Kapitel entlang eines einzelnen durchgängigen Erzählstrangs zu referieren. Ein Argument immerhin taucht immer wieder auf und soll hier im Wortlaut wiedergegeben werden: „Der moderne Mensch will von der Kälte der Verstandeslogik, ihren kategoriellen Vereinheitlichungen und begrifflichen Grenzziehungen sich in die Vorstellungen wärmespendender traditionaler Kulturen beurlauben lassen, und ahnt nicht, wie sehr auch diese bereits Produkte ihrer Vermessung, Vereinheitlichung und begrifflichen Eingrenzung darstellen“ (165). „Kultur- und Sozialwissenschaftler sowie wohlmeinende Kulturschützer“ (169) haben an diesem Reifikationsprozess gewaltigen Anteil. Ihnen gilt der besondere Zorn des Autors, vor allem deshalb, weil sie in aller Regel »das Recht auf kulturelle Differenz über das auf menschenwürdige Lebensbedingungen stellen« (178).

Was hinter der »Karnevalsseite« der so beschworenen Ethnizität unter den Tisch fällt, sind die Ungereimtheiten, Widersprüche und Konflikte, von denen keine Gesellschaft frei ist. Für seinen Teil hegt Schuberth gewaltige Zweifel, ob »der verzweifelte Ruf nach der verlorenen Kultur genauso laut und markerschütternd erschallt(e), wenn all denen, deren einigermaßen traditionelle Kulturen vom Sog der Moderne erfasst wurden, unmittelbar nach deren Zerstörung Ausbildungskurse, Aufsichtsratsposten bei amerikanischen oder japanischen Konzernen, eine ausreichende Anzahl an Aktienkapital, Villen, Autos … gewährt würde« (190).

In der Gesamtbetrachtung hat mir der »unwissenschaftliche« dritte Teil nicht nur ästhetisch besonderes Vergnügen bereitet, er scheint mir auch „wissenschaftlich“ nicht weniger ergiebig zu sein als die beiden ersten.

Gerhard Hauck, Peripherie

 

Im letzten Teil dieses bemerkenswerten Buches nimmt sich Richard Schuberth die Freiheit, zu einem (wie er es selbst bezeichnet) Rundumschlag auszuholen. So entlarvt er etwa die Wissenschaft als Agent von Kulturalisierung, Ethnisierung, Nationalisierung und Rassialisierung. Wenngleich dieser letzte Abschnitt durchaus mit Polemiken gespickt ist, tut dieser weder der Wissenschaftlichkeit noch der Seriösität einen Abbruch – ganz im Gegenteil, durch die scharfe und harsche Kritik eröffnet sich die Möglichkeit, wieder kontroversiell diskutieren zu dürfen, was der kritischen Leser_innenschaft sicherlich sehr entgegenkommen wird. Durch den teilweise romanhaften, ironischen Schreibstil Schuberths, eignet sich das Buch auch hervorragend für alle nicht-fachkundigen Leser_innen als essenzielle antiessenzialistische Einführung in die Thematik.

Manfred Buchegger, Stimme von und für Minderheiten

 

Durchaus: eine Tour de Force von der fundierten Darstellung der historischen Genese jener Begriffe, mit der die europäischen Wissenschaften sowohl sich selbst wie auch die »Fremden Welten« zwischen Aufklärung, Romantik und Kolonialismus zu beschreiben versuchten. (…) Bis hin zu der Mahnung des Autors, »Ethnizität niemals als substanzhafte Gewissheit« anzunehmen. Unbedingt lesenswert nicht nur für angehende EthnologInnen, sondern für alle, die mehr über die anhaltende Prägekraft des Diskurses über die – seit jeher konstruierte –»kulturelle Identität« wissen wollen.

Christoph Seid, Jos Fritz/Bücher

 

Das Wort Kultur hat heute die Begriffe Volk und Nation abgelöst. Doch wie kam es überhaupt dazu, dass Menschen einer bestimmten Kultur, einem bestimmten Volk oder einer Nation zugeordnet werden? Diesen Fragen geht der Autor Richard Schuberth in seinem neuen Buch nach. Spannend!

AK für Sie

 

Ein »Geist, der stets verneint! Und das mit Recht; denn alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht« – mit Mephistopheles sind Schuberth und seine Diplomarbeit verwandt. Das ist dem Thema und der Weltgegend, wo sie es behandeln, auch durchaus angemessen. Und dass der Text mittlerweile zwanzig Jahre Text alt ist, tut dem keinen Abbruch. Die Dekonstruktion, die hier an den Begriffen unternommen wird, ist da noch kein akademischer Kanon, der sich der »Essenzialisierung des Anti-Essenzialismus« nähert, sondern befeuert von »Empirie«, wie der Autor sagt, von der Erfahrung von Enge, Unterdrückung und Menschenfeindlichkeit, denen jene Begriffe dienen.

Lorenz Glatz, Streifzüge