Eine Tragikomödie
Drava 2003
«Was wie ein Theaterstück daherkommt, entpuppt sich, in bester Karl-Kraus-Manier, bald als eigenwilliger Mix aus Essay und O-Ton, Slapstick und Sprachkritik», heißt es im Klappentext, und: «Schuberths Thema sind die ‹kulturellen Kollateralschäden› dessen, was man euphemistisch als humanitäre Interventionen bezeichnet. Furios und virtuos rechnet er mit den Attitüden und Plattitüden, mit der Präpotenz und Impotenz jener Kulturschickeria ab, die sich als selbsternannte Kreuzritter abendländischer Zivilisation einfindet, wo immer es nach Pulverdampf und Blut riecht.»
Zur Handlung: Die amerikanische Starintellektuelle Fiona Freitag (Susan Sontag nachgebildet) inszeniert im belagerten Sarajevo «Warten auf Godot», der französische Intellektuelle im Kampfanzug Jean-Pierre Leaud (B.-H. Levy) erschießt aus Versehen den bosnischen Hauptdarsteller und muss als Strafe gemeinsam mit dem deutschen Kulturschützer Hanuman Knülch (T. Zülch) die Rollen des Wladimir und Estragon übernehmen. Während der Proben entfernen sich die Protagonisten durch Traumsequenzen immer mehr von der Kriegsrealität und legen letztendlich die wahren Motive ihres Handelns bloß. Dabei tun sich auch zwischen ihnen blutige Fronten auf …
Richard Schuberth arbeitete von 1996 bis 1999 an diesem Stück, das 2003 im Drava Verlag und 2005 in serbischer Übersetzung von Goran Novaković als «Freitag u Sarajevu» im Prometej Verlag, Novi Sad, erschien.
Jahrelang interpretierte der Autor das Stück in szenischen Lesungen, wobei ihn der Akkordeonist Krzysztof Dobrek am Akkordeon begleitete.
«Freitag in Sarajevo» wurde Oktober 2004 von der bosnischen Schauspieltruppe «Ars Vivendi» unter Regie von Oskar Terš in Tuzla uraufgeführt. Gastspiele in Sarajevo und Mostar, Osijek, Pécs, Baja, Daugavpils, St. Pölten, Graz und Wien folgten. In Bosnien trat Schuberth in der Gastrolle des Kommandanten Ibrahimović auf, bei der Österreich-Tournee von Ars Vivendi in der Rolle von «Andi Goldberger, dem Čеtnik». 2007 führte das Theaterforum Regensburg unter Regie von Charlotte Siegerstetter «Freitag in Sarajevo» in Regensburg auf.
Reaktionen & Rezensionen
Ein schön-böses, klarsichtiges Stück.
Peter Handke
Die politische Satire kommt als Theaterstück daher, ist aber – wie Kraus’ Die letzten Tage der Menschheit – eher einem Marstheater zugedacht. Die dialogische Form bewirkt, im Sinne der philosophischen Hebammenkunst, Sichtbarkeit der Widersprüche, der Dummheiten, der verborgenen Gründe und nicht zuletzt der Wahrheit, wie sie noch nicht – oder nicht laut genug – ausgesprochen worden ist: Im Krieg gibt es keine «gute» Seite. Und jeder Krieg ist das beste Sammelgebiet kulturalistischer Leichenfledderei. (…) Freitag in Sarajevo ist nicht zuletzt deswegen ein wichtiges Stück politischer Literatur.
Hakan Gürses, Stimme von und für Minderheiten
… ein ungemein witziges, vielschichtiges Szenario aus slapstick-artigen Dialogen, Zitaten, Traumsequenzen und Visionen, die alle nur ein Ziel verfolgen: die Entlarvung jener lächerlichen und verlogenen politischen Agitation, mit der westliche Intellektuelle vor Ort in Sarajevo die gute westliche Zivilisation verteidigen zu müssen glaubten.
Johannes Gelich, Buchkultur
Natürlich müssen nicht alle mit dieser Sicht einverstanden sein, jedoch ist es eine Anregung für das Nachprüfen der eigenen Beziehung zu dem humanitär-intellektuellen Aktionismus, der uns selbst wegen eigener Interessen als Opfer bestätigt hatte.
Vahidin Preljević, Oslobodjenje, Sarajevo, 3.11. 2004
Schuberth führt uns vor, wie man Meutenjournalismus, intellektuellen und militärischen Interventionismus kritisieren kann, ohne die internen Gründe der Barbarei zu verharmlosen oder für irgendeine der Seiten ideell Partei ergreifen zu müssen. «Ich hätte nicht für möglich gehalten», sagte mir ein aus Bosnien stammender Leser des Stückes, «dass man die ganze Problematik Sarajevos mit so wenigen Worten so genau erfassen kann.»
Kurt Köpruner, Junge Welt
Wo auch immer Schuberth seine Sarkasmen ausschüttet über die Protagonisten des Selbstbestimmungsrechts der Völker – es folgt im Text die Ideologie in Originalzitaten. Er zeichnet den Wahnsinn eines Krieges nach, in dem mittels ethnischer Argumente gerafft und neu verteilt wurde und sich Kriegstouristen mit Worten in die Schlacht stürzten. Bisweilen wirkt Schuberths Abrechnung in ihrer Dichte wohl überladen – doch sie ist lange nicht so breit, wie das Bombardement der Bilder, Worte und Kugeln zusammen, das während des Bosnienkrieges Grundstein für die Ideologisierung Europas zur friedliebenden Interventionsmacht war.
Jochen Cotaru, Archipel – Zeitschrift des Europ. Bürgerforums
Schuberth entwirft ein Szenario, das in seiner Skurrilität das Irreale der Wirklichkeit überholt. Sein subtil-hintergründiger Humor, den er in den Dialogen der Protagonisten voll entfaltet, schreckt sprachlich auch vor plakativeren Farben nicht zurück. Viel davon findet sich in den äußerst plastischen «Regieanweisungen», die in ihrer Absurdität einen großen Teil des makaberen Amusements ausmachen, ohne aber als bloßer Bühnenklamauk zu enden. Hinter alledem steht das veritable politische und menschliche Engagement Schuberths in dieser Angelegenheit und da ist natürlich Schluss mit Blödeln.
Birgit Gabler, Concerto