Eine mediterrane Groteske in zwei Akten
Drava 2014
Ein Schiff der Grenzschutzbehörde Frontex rammt ein Flüchtlingsboot. Die einzigen Überlebenden, LeBoeuf, ein larmoyanter Frontex-Offizier, Swantje van Eycken, eine Arte-Aufdeckungsjournalistin, Flo Hagenbeck, eine Berliner Performance-Künstlerin und ein stummer Flüchtling (der Schwarze Körper) landen auf einer unbewohnten Insel. Es gibt kein Fleisch – und irgendwann muss einer der Überlebenden ein Hölzchen ziehen …
Der Schwarze Körper erweist sich auch für die drei Weißen als Fläche der eigentümlichsten Projektionen, als Sexobjekt und als kulturelles Kuscheltier, ehe er in einem angsteinflößenden Traum-Monolog, in dem er die Zukunft Europas umreißt, eine kraftvolle Stimme erhält …
Doch die Odyssee ist nicht zu Ende. Die Protagonisten begegnen höchstpersönlich der deutschen Bundeskanzlerin (Mama Merkel) und in einer Asylcastingshow auf Lampedusa dem für Frontex arbeitenden Stand-up-Comedian Denis Quartermain, einer dämonischen Monty-Pythons-Paraphrase, systemkonform, zynisch und dennoch beliebt bei afrikanischen Emigranten und europäischen Intellektuellen. Doch verkehrte Welt – die weißen Schiffbrüchigen werden als schwarze Flüchtlinge nach Nuova Esperanza in die libysche Wüste abgeschoben. Dort wird der liberale Traum Europas wahr: ein vollklimatisiertes, wie ein Dienstleistungsunternehmen geführtes Flüchtlingslager mit Reintegrations-, Sinn- und Berufsfindungscoachings – mit einem Wort: die wahre Hölle!
Das groteske Lese-Drama über Rassismus und Identitätskannibalismus und die versöhnende und konformistische Kraft schlechten Humors habe 2011 geschrieben.
Drei Jahre später veröffentliche ich Frontex bei Drava und zeichnete das Cover dazu, wobei ich mich an Motiven des Teppichs von Bayeux orientierte.
Die Buchpräsentation erfolgte am 20. November 2014 im Schwarzberg (ehem. Ost Klub) in Form einer szenischen Lesung mit Musik. Begleitet wurde der Autor vom Saxofonisten Andrej Prozorov und der Sängerin und Violistin Jelena Popržan, die auch den »Monolog des Schwarzen Körpers« vortrug.
Die Aufführungsrechte liegen beim Kaiser Verlag.
Reaktionen & Rezensionen
In einer anarchokapitalistischen Welt geht es radikal um Verwertung und Verwertbarkeit, versinnbildlicht etwa im letzten Tabu Kannibalismus, einer absurden »Asyl-Casting-Show« und einem vollklimatisierten Dienstleistungs-Flüchtlingslager komplett Reintegrations-, Sinn- und Berufsfindungscoachings – genannt »Nuova Esperanza«. Das alles illustriert Schuberth mit bizarrsten Wendungen, kühnsten Überspitzungen und paralysierender Direktheit. Ob das Lachen dem Publikum bei Schuberths ätzendem Fernseh-Humor punktuell im Halse stecken bleibt? Frontex ist jedenfalls ein atemberaubendes, gleißend bebildertes Drunter und Drüber und somit eher ein durchgehendes Röcheln. Das Drama kann also durchaus mit der stürmischen See verglichen werden, auf der es spielt: mitreißend, aber auf eine bedrohliche Art und Weise.
Olja Alvir, Progress Magazin
Wer bereits bei Schuberths letzten Dramengrotesken glaubte, seine Mischung aus analytischem und bodenlosem Witz, aus Sprachvirtuosität und surrealem Humor sei bis zum Anschlag in den Gesellschaftskörper gebohrt worden, der wird merken, dass es mit Frontex noch eine Windung tiefer geht. Es ist, als wären Brecht, Bunuel, Kraus, Dario Fo, Matt Groening und Monty Python auf eine Insel verschlagen worden. Der Autor treibt mit dem Schrecken Späße, das macht das Stück so erfrischend wie eine Mittelmeerbrise. Es ist so, als hätte er einen prallen Köder ausgelegt, damit endlich der Vorwurf der Geschmacklosigkeit zuschnappt, nur um stante pede und gründlich darzulegen, wer und was wirklich in diesem System geschmacklos ist. Und siehe da, das Drama leistet dies selbst mit Bravour – z. B. im dämonischen Monolog des stummen Afrikaners, in dem er die gar nicht erfreuliche Zukunft Europas beschwört und nebenbei auch erklärt, warum das »mit billiger Empörung gebeizte Fleisch« von Humanisten besser als das »ängstliche Rassistenfleisch« mundet.
Mario Staller, Stimme von und für Minderheiten
Sein Werk, seit jeher interessierter an intellektuell elektrisierenden Paradoxa als an formelhaften Wahrheitsformulierungen, deutet Fragen an, ohne sich in den Sog der Reduzierbarkeit ziehen zu lassen. Hier peitscht es seine Leserschaft durch die charakterlichen Abgründe und verinnerlichten Sachzwänge, die tagtäglich Leben und Leute durchziehen und beherrschen: rassistische Projektionen, Machtmoralismus, Leidkapitalisierung, Sexualfrustration, und dergleichen. Auch dieses Theaterstück, mediterrane Groteske geheißen, schafft es neuerdings, in der Überspitzung Klarheit zu finden und unterdrückte Einsichten durch Lachen zu befreien. Keine seiner Albernheiten ist reiner Selbstzweck, sondern stets kritisch getränkt, bewusst gewählt, unaufdringlich beigemengt.
Mladen Savić, Augustin