2004 gründete ich das Festival Balkan Fever, dessen künstlerischer Leiter ich bis zu seinem Ende 2012 war. Mir zur Seite standen Joro Dermendjiev, Norbert Ehrlich und Gaby Müller-Klomfar (PR).
Beinahe alle Veranstaltungen (139 Konzerte) wurden von Emil Lubej und seinem Team fürs Internetradio Emap.FM aufgezeichnet und sind im Archiv der Website nachzuhören (Suchbegriff »Balkan Fever« eingeben):
Einerseits trug das Festival dem damals erhöhten Interesse am Balkan und dessen Musik Rechnung (dem sogenannten Balkan-Boom), andererseits umschiffte es gängige Stereotypen und öffnete den Fokus von den typischen Balkan-Sounds (Gypsy Brass, Ost-Dancefloor) auf ein weites Panoptikum von Genres und Fusionmöglichkeiten. Anspruchsvolle traditionelle Musik, Underground & Independent, kreative World Music, Jazz und Ethno-Jazz etc. Gypsy-Brass spielte eine untergeordnete Rolle, und nur künstlerisch interessante Kapellen wurden eingeladen.
So gelang es uns zum Beispiel, der außergewöhnlichen bulgarischen Ethnojazz-Szene eine Plattform in Österreich zu verschaffen.
Gängigen Projektionen vom Balkan als Reservat fiktiver Authentizität konterte Balkan Fever mit Hochartifziellem, die Vorstellung von ländlicher Etzhnizität und zeitloser Archaik wurde mit einem mondänen, kosmopolitischen Balkan konterkariert, machoider Ausgeflipptheit begegnete Balkan Fever oft mit ruhigeren, aber feinen, atypischen Projekten. Party und Ekstase kamen trotzdem nie zu kurz.
Balkan Fever war strikt antinational konzipiert. Länder- und kulturübergreifende Projekte hatten Vorrang. Die vornationalen Kontinuitäten erlebten eine moderne kulturelle Renaissance. Hier lebende Musiker und Musikerinnen aus Südosteuropa waren bei Balkan Fever stets willkommen. Besonders der «feminine» Balkan konnte sich beim Festival immer wieder gegen eine maskuline Codierung balkanischer Kultur kraftvoll durchsetzen. Balkan Fever 2010 war ausschließlich Musik von Frauen gewidmet.
Das erste Festival 2004 fand größtenteils im Lokal Tunnel statt (neben der Eröffnung im Porgy & Bess und einem weiteren Konzert im Wuk). Ab 2005 ging Balkan Fever über die Bühnen der Sargfabrik, der Szene Wien, von Porgy & Bess, Birdland und Ost Klub. Auch im Konzerthaus, im Musikverein, im Planetarium und im Ega gab es BF-Konzerte.
Mit folgendem Essay versuchte ich um 2008 herum, die »Balkan-Welle« einer kritischen Revision zu unterziehen und einen Überblick über vielfältige Szenen zu geben, die gerne aus Konsum- und Brandingzwecken als homogen imaginert wurden. Er erschien 2009 in der Anthologie Balkan erlesen (Wieser Verlag) und ein Jahr zuvor in Fortsetzungen im Augustin.
Der Balkan-Boom (aus der Sicht eines Mittäters)